Mit der materiell greifbarsten Vision – einen Nachlass zu Lebzeiten zu formen –, legte Arnold Schönberg den Grundstein für eine Schau der Nachwelt auf sein künstlerisches Erbe und intellektuelles Handeln. 1998 kam sein Nachlass nach Wien.
Arnold Schönberg erfuhr zu Lebzeiten in seiner Geburtsstadt Wien bei zwei Gelegenheiten offizielle Ehrung durch politische Instanzen: 1924 anlässlich seines 50. Geburtstages durch Bürgermeister Karl Seitz bei einer Festveranstaltung im Rathaus und 1949 – in Abwesenheit – anlässlich seines 75. Geburtstages durch Bürgermeister Theodor Körner, der dem Komponisten nach einstimmigem Senatsbeschluss via österreichischem Konsulat in Los Angeles den Titel »Bürger der Stadt Wien« verlieh. Vier Jahre nach Kriegsende wurde der aufgrund seiner progressiven Kunst vielerorts verachtete, aufgrund seines Judentums antisemitisch verfolgte und schließlich aus Europa ins Exil gezwungene Revolutionär offiziell für hoffähig erklärt. Der in der Epoche des Nationalsozialismus als »entartet« gebrandmarkte jüdische Komponist verlieh seinem – in einem Akt der Trennung von Kulturgeschichte und Politik ausgesprochenen – »Stolz« und seiner »Freude« über die erwiesene Ehrung Ausdruck: »Es ist dies ein neues, oder eigentlich ein erneutes Band, das mich dem Platz, der Natur, dem Wesen wieder annähert, wo die Musik geschaffen wurde, die ich immer so geliebt habe, und an die anzuschliessen – nach Massgabe meines Talents – mein grösster Ehrgeiz immer war« (Brief an Theodor Körner, 5. Oktober 1949).
Erst zu seinem 100. Geburtstag sollte einer der wirkmächtigsten Exponenten im Musikleben des 20. Jahrhunderts in jene Heimatstadt zurückkehren, aus der man viele seiner Angehörigen, Freunde oder Bekannten nach 1938 vertrieben oder verschleppt hatte. Am 5. Juni 1974 wurden die aus Los Angeles nach Wien überstellten Urnen Arnold und Gertrud Schönbergs in einem von der Stadt Wien errichteten Ehrengrab am Zentralfriedhof beigesetzt. Seine Repatriierung wurde mit der Etablierung der Internationalen Schönberg-Gesellschaft institutionell gefestigt. In dem vor dem Abriss bewahrten Wohnhaus des Komponisten in Mödling wirkte die Gesellschaft bis in die 1990er Jahre mit Interpretations- und Analysekursen, Symposia, Vorträgen, Konzerten sowie Dokumentationstätigkeit, der Herausgabe einer Zeitschrift und einer Publikationsreihe. Mit der Überschreibung der Mödlinger Immobilie leistete die Internationale Schönberg Gesellschaft im Frühjahr 1997 einen entscheidenden Beitrag zur Errichtung der Arnold Schönberg Center Privatstiftung, deren dauerhafte Finanzierung im Dezember 1996 im Wiener Gemeinderat einstimmig beschlossen worden war. Schönbergs Nachlass wurde auf Wunsch seiner Kinder Nuria Schoenberg Nono sowie Ronald und Lawrence Schoenberg aus Los Angeles nach Wien transferiert und mit einem Schönberg Festival im März 1998 inauguriert.
Die Arbeit am Nachlass stellte von Beginn an den Kern aller Anstrengungen zur »Ausbildung der Allgemeinheit im Hinblick auf Schönbergs interdisziplinären künstlerischen Einfluss« dar, so die Formulierung im Stiftungszweck des Center. 2010 brachte Österreich bei der UNESCO einen Antrag zur Erhebung des »Arnold Schönberg Estate« in den Rang eines Weltdokumentenerbes ein. Im Jahr darauf wurde dieser in die Liste »Memory of the World« aufgenommen. Mit der symbolischen Würdigung im Sinne eines Beitrags zum Erhalt des dokumentarischen Erbes der Menschheit gesetzt und die 1996 erfolgte Befürwortung der Nachlass-Pflege auf internationaler Ebene prolongiert.
Das Center verfolgt seit seiner Gründung die wissenschaftliche Aufarbeitung des Nachlasses, teilt neueste Forschungsergebnisse in der Publikationsreihe Journal of the Arnold Schönberg Center mit, sichert die überregionale Verfügbarkeit der Sammlung durch Digitalisierungsprojekte, präsentiert ausgewählte Objekte aus dem Archiv in Ausstellungen, unterstützt das Verständnis der Leistungen Schönbergs durch pädagogische Projekte und tritt mit Konzerten, Symposia sowie Workshops vor allem auch als Veranstalter hervor. Eine Vielzahl von Kooperationen auf vier Kontinenten unterstreichen die internationale Ausrichtung der Institution.
Das 25-jährige Bestandsjubiläum begehen wir im März 2023 mit Freund:innen aus Gründungszeiten und erstmalig am Center konzertierenden Musiker:innen, einer Sonderausstellung zu Schönbergs bahnbrechender Zwölftonmethode, der Fortsetzung unserer langjährigen Kooperation mit der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien – im Konzertsaal, in neuen Publikationen, in unserer digitalen Sammlung, via Social Media und im persönlichen Austausch.
Wir freuen uns über Ihr Interesse, über wiederkehrende und neue Gäste am Center in Wien sowie im Schönberg-Haus in Mödling!
Therese Muxeneder